Werbelektorat: Kann die KI hinter Banner blicken?
Erinnern Sie sich an meinen letzten Beitrag? Meine geschätzte Kollegin Ines Balcik hat im Rahmen des Bloghoppelns für mich einen Beitrag über Rechtschreib-Tools mit künstlicher Intelligenz geschrieben. Wie sinnvoll sind diese digitalen Helfer in der Praxis? Wo haben sie ihre Grenzen? Darüber und über KI versus menschliches Werbelektorat dachte ich nach, als ich dieses Transparent sah.
Hannover feierte kürzlich den 39. Deutschen Evangelischen Kirchentag. Auch ich schlenderte bei sonnigem Wetter durch die Stadt, und ich habe Ihnen ein Foto mitgebracht. Zum Verständnis: Das Transparent hing vor einer Kirche, hinten den beiden Kreisen habe ich das werbende Unternehmen versteckt. Ein kreatives und gut getextetes Werbemittel!
KI versus menschliches Werbelektorat
Wenn ich die Headline „Schöne Kirsche.“ in mein derzeitig genutztes Rechtschreib-Tool eingebe, wird mir kein Fehler angezeigt. Warum auch, die Wörter „Kirsche“ und „schöne“ sind korrekt geschrieben. Auch das Adjektiv ist richtig dekliniert. Lasse ich spaßeshalber die falsch geschriebene Headline „Schön Kirsche.“ prüfen, meckert das Rechtschreib-Tool. Die grammatikalische Übereinstimmung zwischen Adjektiv und Substantiv sei nicht gegeben.
Dieses kleine Beispiel zeigt, dass Rechtschreib-Tools nützlich sind. Und es zeigt auch, dass sie ein menschliches Werbelektorat nicht ersetzen können. Den Tools fehlt das tiefere Textverständnis, sie können keinen Kontext herstellen und keine augenzwinkernden Wortspiele erkennen. Oder banal alltäglich: Sie sehen die Kirche hinter dem Transparent nicht.
Digitale Tools und mein erfahrener Kopf
Alle Texte, die ich bearbeite, lasse ich standardmäßig einmal von einem Rechtschreib-Tool prüfen. Für Texte meiner Kundschaft nutze ich für diesen ersten Durchgang ausschließlich die lokale Rechtschreibprüfung. Denn fremde Texte gehen nicht ins Internet. Meine eigenen Texte hingegen lasse ich meist durch ein KI-Tool analysieren.
Nach der ersten automatisierten Prüfung bearbeite ich im Werbelektorat in verschiedenen Durchgängen den Text. Dabei prüfe ich im Unterschied zum Korrektorat auch, wie sich Luise Meyer schreibt: mit „ei“, „ay“ … Ich kontrolliere, ob Donnerstag, der 13. Mai, wirklich ein Donnerstag oder doch ein Dienstag ist. Einheitliche Schreibweisen, verlinkte Seiten, QR-Codes, Seitenzahlen, Grafiken – all das und noch einiges mehr prüfe ich. Parallel dazu korrigiere ich Rechtschreibung, Grammatik und Co. Besitze ich ein Wording, ist das auf meinem zweiten Bildschirm geöffnet.
Punkt in der Überschrift?
Digitale Tools sind das eine, mein erfahrener Kopf das andere. Sehr vieles habe ich bereits einmal nachgesehen, diese Regeln habe ich im Kopf. Etwa, dass im Duden 9, Sprachliche Zweifelsfälle, beim Stichwort Punkt steht, dass er bei Überschriften fehlt. Deshalb ist das Transparent nicht ganz korrekt. Es müsste lauten: „Schöne Kirsche“.
Wissen nebenbei: Anders sieht das bei Ausrufe- oder Fragezeichen aus. Die dürfen in einer Überschrift stehen. Korrekt wären daher auch „Schöne Kirsche!“ und „Schöne Kirsche?“; wobei das jeweils weniger passend wäre.
Mein Ohr für Ihren Text
In einem letzten Durchgang lese ich mir den Text laut vor. Manchmal lasse ich ihn mir auch laut vorlesen, damit bin ich wieder bei den digitalen Tools. Warum ich mir die Texte auch anhöre und nicht nur durchlese? Indem ich einen weiteren Sinn einschalte, habe ich eine weitere Perspektive auf den Text. Diese Methode hilft mir, Wiederholungen und Unstimmigkeiten zu erkennen.
Fazit: Das Transparent „Schöne Kirsche.“ zeigt mir einmal mehr: KI-gestützte Rechtschreibtools können unterstützen, jedoch die kreativen und kontextuellen Fähigkeiten eines erfahrenen Lektors oder einer erfahrenen Lektorin nicht ersetzen. Deshalb arbeite ich im Team: KI und menschliches Werbelektorat.
PS: Mein KI-Tool sagt, dass ich für Sie noch eine Take-away-Pointe hinzufügen soll und schlägt diese vor: „Egal, wie intelligent die Technik ist, der Feinschliff im Text erfordert immer noch das Gespür eines Menschen.“ Na dann.
Hinterlassen Sie eine Antwort
Möchten Sie an der Diskussion teilnehmen?Wir freuen uns über Ihren Beitrag!