Die Suche nach dem Ei des Korrektorats
Kein Ostern ohne Osternhasen-Bloghoppeln, kein Ostern ohne Ostereier. Letztere müssen nicht aus Schokolade sein: Easter Eggs sind versteckte Überraschungen in Computerspielen oder Software – und damit gewissermaßen digitale Ostereier. Das Ei des Kolumbus war gestern. In diesem Blogartikel geht es um ein Osterei des Korrektorats: Tools mit künstlicher Intelligenz (KI) für das perfekte Korrektorat von Texten. Welche Arten von Tools gibt es, was leisten sie, bieten sie mehr als nette Easter Eggs?
Seit letztem Jahr engagiere ich mich ehrenamtlich im KI-Team des VFLL. Eins unserer Ziele ist es, Rechtschreib-Tools systematisch zu testen und auf ihren Nutzen fürs professionelle Korrektorat und Lektorat zu bewerten. Sie ahnen es: Das Unterfangen ist nicht ganz einfach. Zu rasant ist die Entwicklung im KI-Bereich einerseits, zu unterschiedlich sind andererseits die Einsatzgebiete und die Anforderungen. Die Ergebnisse werden wir zeitnah im Lektorenverband vorstellen. An dieser Stelle möchte ich einen ersten Einblick in Vor- und Nachteile des Korrektorat mithilfe künstlicher Intelligenz geben.
Was ist Korrektorat?
Laut Duden online korrigiert eine Korrektorin, das heißt, sie liest einen Text auf Fehler hin durch und verbessert diese Fehler. Wer kennt ihn nicht, den gnadenlos zuschlagenden Fehlerteufel: Es ist nicht egal, ob ein „Dienstleister“ gesucht wird oder eine „Dienstleiter“. Gesucht, gefunden und korrigiert werden reine Tippfehler (Buchstabendreher u. a.), grammatische Fehler („du geht“), Fehler in der Zeichen- und besonders Kommasetzung. Beim erweiterten Korrektorat kommen Anmerkungen dazu mit Vorschlägen und Empfehlungen zum Sprachstil, zu bestimmten Formulierungen, nach Vereinbarung auch zum inhaltlichen Aufbau und zur formalen Struktur des Textes.
Anfänge der elektronischen Rechtschreibprüfung
Die ersten Systeme zur Rechtschreibprüfung in Textverarbeitungsprogrammen wie Word u. Ä. basierten auf dem Abgleich mit Wörterbüchern. Tippfehler oder unbekannte Wörter wurden markiert, aber ohne tieferes Verständnis des Kontextes. Viele erinnern sich vielleicht an die lustigen Vorschläge, die dabei entstehen. Ein Beispiel aus meiner eigenen Sammlung erheiternder Verschlimmbesserungen: Für den Vertipper „Zeipuffer“ (statt richtig: Zeitpuffer) schlug die Rechtschreibprüfung vor Jahren als Korrektur „Zweihufer, Lauchzwiebel, Lachzwiebel und Lauschzwiebel“ vor.
Mit den Textprogrammen entwickelte sich auch die Rechtschreibprüfung weiter. Bald konnte sie über den reinen Wortabgleich hinaus bereits grammatische Grundstrukturen überprüfen, Vorschläge für Korrekturen in Grammatik und Zeichensetzung machen und zwischen einigen Sprachvarianten unterscheiden, z. B. bei Wörtern, die nur in Deutschland oder nur in Österreich üblich sind. Diese frühen Tools arbeiteten bereits mit ersten regelbasierten Algorithmen, die grammatische Strukturen und syntaktische Muster erkannten.
Textzusammenhang und KI-Unterstützung
Anfang der 2000er-Jahre erweiterten statistische Sprachmodelle die Möglichkeiten der digitalen Textkorrektur. Die neuen Modelle waren in der Lage, zum einen den Textzusammenhang zu untersuchen, darüber hinaus aber auch Häufigkeiten und Wahrscheinlichkeiten von Wortverbindungen anzuzeigen. Was damit gemeint ist, zeigt eine Beispielsuche im Wortschatz der Universität Leipzig: Das Stichwort „Korrekturen“ liefert u. a. Zahlen zur Häufigkeit, Beispiele im Satzzusammenhang und eine grafische Darstellung von Wörtern, die besonders oft im Zusammenhang mit „Korrekturen“ vorkommen.
Künstliche neuronale Netze und Deep Learning sind die Stichwörter zu den Techniken, die seit rund fünfzehn Jahren zu KI-gestützten Korrekturmodellen führen. Die neuen Tools erkennen und interpretieren auch komplexe Sprachmuster und ermöglichen ein besseres Verständnis des Kontexts, sie machen Vorschläge zur stilistischen Optimierung von Texten und zu kontextübergreifenden Analysen.
Also sind menschliche Korrektoren jetzt überflüssig? Halt, so schnell und einfach geht das nicht. Ich stelle hier vier aktuelle Rechtschreibtools kurz vor und spreche grundlegende Aspekte an.
Vier Rechtschreib-Tools im Überblick
Mein wichtigstes Kriterium für die Auswahl der hier vorgestellten Tools ist, dass sie sowohl eine deutschsprachige Benutzeroberfläche haben als auch ein Impressum, das einen Firmensitz in der EU angibt. Ersteres lässt darauf hoffen, dass das Tool auf die Eigenheiten der deutschen Sprache abgestimmt ist, Letzteres ist wichtig, damit die Anforderungen der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) beachtet werden. Beides trifft auf die folgenden Tools zu (die alphabetische Reihenfolge beinhaltet keine Wertung!):
- Duden-Mentor, Cornelsen Verlag GmbH, Berlin
- LanguageTools, LanguageTooler GmbH, Potsdam
- rechtschreibpruefung24.de, Oliver Schlöbe, Gera
- Textshine, Kinesis Publishing GmbH, Geschäftsführer: Alexander Seifert, Wien
Alle Tools gibt es in einer kostenlosen Basisversion mit eingeschränkter Funktionalität und in kostenpflichtigen Varianten, die erweiterte Funktionen mit künstlicher Intelligenz enthalten. Die Screenshots sind jeweils mit der kostenlosen Basisversion entstanden. Für jedes Tool gebe ich Preise pro Monat und Leistungsumfang an, wie sie auf den jeweiligen Websites beschrieben werden (Stand: 31.03.2025). Unter Nutzung gebe ich an, wie das Tool eingesetzt wird: im Browser, als Erweiterung, in welchem Textformat … Alle Angaben ohne Gewähr!
Schmunzeln ist erlaubt beim Bloghoppeln: Als Probetext für die Screenshots dient der zweite Streich aus „Max und Moritz, eine Bubengeschichte in sieben Streichen“ von Wilhelm Busch, 53. Auflage, München 1906.
Duden-Mentor
Basisversion kostenlos
Leistung: eingeschränkte Kernfunktionen, d. h.: Prüfung Grammatik, Rechtschreibung, Zeichensetzung; 10 KI-Korrekturen oder Umformulierungen pro Monat; persönliches Wörterbuch (10 Wörter)
Nutzung: im Browser auf der Mentor-Website; bis zu 500 Zeichen pro Texteingabe
Premium € 7,95 pro Monat (kostenlose Testversion für 7 Tage); inkl. Updates
Leistung: Prüfung Grammatik, Rechtschreibung, Zeichensetzung; zusätzlich: 100 KI-Korrekturen oder Umformulierungen pro Monat; persönliches Wörterbuch (unbegrenzt); Synonyme; Tipps zum Schreibstil; Ländereinstellung (D, A, CH)
Nutzung: werbefrei auf der Mentor-Website; als Erweiterung zu Microsoft Word; als Browser-Erweiterung (Chrome, Firefox, Edge); bis zu 100.000 Zeichen pro Texteingabe
Premium Plus € 10,95 pro Monat
Leistung: alle Premium-Leistungen; zusätzlich: unbegrenzte KI-Korrekturen oder Umformulierungen pro Monat; telefonischer Kundenservice
Nutzung: wie Premium
LanguageTools
Basisversion kostenlos
Leistung: Prüfung Grammatik, Rechtschreibung, Zeichensetzung; Stil: erkennt Umgangssprache, Maßeinheiten, Gendersprache, verbessert Sprachstil
Nutzung: im Browser auf der LanguageTools-Website, bis zu 10.000 Zeichen pro Texteingabe; als Browser-Erweiterung für alle gängigen Browser
Premium € 4,99 pro Monat
Leistung: alle Basis-Leistungen; zusätzlich: erweiterte Prüfung von Grammatik, Rechtschreibung, Zeichensetzung, Typografie; unbegrenzte Umformulierungen mit KI; Styleguide
Nutzung: wie Basisversion; zusätzlich: als Erweiterung zu Microsoft Word; bis zu 150.000 Zeichen pro Texteingabe
rechtschreibprüfung24
Leistung: Prüfung von Grammatik, Rechtschreibung, Zeichensetzung; Analyse von Lesbarkeit, Wortdichte, Füllwörtern
Nutzung: im Browser auf der rechtschreibprüfung24-Website; bis zu 20.000 Zeichen pro Texteingabe
Basisversion kostenlos, mit Registrierung
Leistung: wie ohne Registrierung
Nutzung: wie ohne Registrierung; zusätzlich: lädt Texte aus den Dateiformaten PDF, DOC, DOCX; lädt Texte aus der Cloud; speichern in der Cloud; erstellt druckbare PDF-Dateien
Premium: über languagetool.org (LanguageTools)
Textshine
Leistung: Prüfung von Grammatik, Rechtschreibung, Zeichensetzung (keine Vorschläge oder Umformulierungen)
Nutzung: im Browser auf der Textshine-Website; bis zu 1.000 Zeichen pro Texteingabe
Premium „Business“, Abrechnung nach genauer Zeichenzahl, Preise ab € 0,50 pro 1.000 Zeichen, Paketpreise ab € 45 pro 100.000 Zeichen
Leistung: Prüfung von Grammatik, Rechtschreibung, Zeichensetzung (keine Vorschläge oder Umformulierungen)
Nutzung: eine Word-Datei wird über die Textshine-Website hochgeladen, die korrigierte Datei per Mail zurückgeschickt
Nicht mal KI ist perfekt
Die Datensicherheit ist und bleibt ein kritischer Punkt, der genau unter die Lupe genommen werden muss. Geschäftliche Korrespondenz, Texte von Unternehmen oder wissenschaftliche Arbeiten – nicht nur als Korrektoratsprofi möchte man seine Texte in geschützten Bereichen wissen.
Unschlagbar sind KI-Tools, wenn es um Schnelligkeit geht. Große Textmengen können sie sehr viel schneller bewältigen, als es einem Menschen möglich ist. Aber Schnelligkeit allein reicht für ein solides Korrektorat natürlich nicht aus. Sprache ist mehr als ein System aus Regeln für Grammatik, Rechtschreibung und Zeichensetzung. Mittels Sprache drücken wir Emotionen aus und feine Nuancen, wir erzählen emotionale Geschichten, werden je nach Situation ironisch oder poetisch, erfinden kreative Sprachspielereien, verpacken juristische Sachverhalte in ausgefeilte syntaktische Konstruktionen – kurz: Wir schreiben so, dass unsere Texte eine bestimmte Botschaft transportieren und von den Lesenden verstanden werden. Beim Erkennen dieser weichen Faktoren zeigen KI-gestützte Systeme deutliche Schwächen.
Rechtschreibprüfung mag suggerieren, dass mit einem Tool alle möglichen Fehler aufgezeigt werden. Die Realität im Korrektorat sieht anders aus: Sprachliches Fingerspitzengefühl ist gefragt, eine Rückfrage oder ein Formulierungsvorschlag meist sinnvoller als ein radikaler Eingriff in einen Satz. Die Intention des Autors bleibt entscheidend, übereifrige Korrekturen können schlimmstenfalls schaden, wenn sie den Text stark verändern. Die Korrekturen der KI-Tools müssen also von Menschen geprüft werden, und das kostet Zeit.
Zum sorgfältigen Korrektorat gehören außerdem viel mehr Details, als Laien klar ist. Das fängt an bei Strichlängen (Minuszeichen, Gedankenstrich, Trennstrich, Bis-Zeichen, Streckenstrich …), geht weiter mit einheitlichen Schreibweisen für bestimmte Begriffe und Feinheiten der Kapitelformatierung bis zum durchdachten Umgang mit optionalen Schreibweisen und Kommaregeln.
Sehr wichtig zu wissen ist außerdem, dass KI auf lernende Systeme setzt. Das ist gut, wenn auf diese Weise ein Wörterbuch oder Styleguide mit erwünschten Schreibweisen festgelegt werden kann. Das ist schlecht, wenn sich herausstellt, dass die KI auf unterschiedlichen Geräten oder zu unterschiedlichen Zeiten abweichende Korrekturen anzeigt.
Mein Fazit
KI hat ihre Stärken und Schwächen, menschliche Korrektoren auch. Erstere kann Letztere zum jetzigen Zeitpunkt nicht ersetzen, aber beide können sich im Idealfall gut ergänzen. Um KI-Tools fürs Korrektorat so einsetzen zu können, dass sie wirklich die Arbeit erleichtern, sollte man mit allen Aspekten des Korrektorats gut vertraut sein. Unter dieser Voraussetzung sind KI-Tools gute Assistenten fürs schnelle Aufspüren spezieller Fehler.
Eine Empfehlung für ein bestimmtes Tool kann ich nicht geben. Für Kundentexte nutze ich zurzeit in einem ersten Schnelldurchgang ausschließlich die lokale Rechtschreibprüfung, die in so gut wie jedem Textprogramm enthalten ist.
Aber ich probiere gerne neue Tools aus und ermutige auch Sie ausdrücklich, selbst einmal ein KI-gestütztes Tool Ihrer Wahl für Textkorrekturen auszuprobieren. Die Suche nach dem perfekten Korrektorats-Osterei geht weiter.
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