Sprache verschleiert
Sehr begeistert folge ich der Floskelwolke auf Twitter. Die beiden Redakteure Udo Stiehl und Sebastian Pertsch haben, so wie ich auch, täglich mit Sprache zu tun. Auf floskelwolke.de und mit ihren Tweets weisen sie auf Floskeln und verschleiernde Phrasen hin. Ihr gemeinsames Webprojekt wurde bereits mehrfach ausgezeichnet. In diesem Jahr haben die beiden ein Buch veröffentlicht: „Ihr Anliegen ist uns wichtig! So lügt man mit Sprache. Von den Machern der Floskelwolke.“ Es ist mein Buch des Monats, erschienen bei Piper, für lohnenswerte 9,99 €.
Der einzige Haken an dem Buch ist, dass man plötzlich überall Worthülsen sieht:
Beim Blick in die Tageszeitung, ins Internet, überall fallen mir plötzlich Wahrheitsverschleierer auf. Deshalb gebe ich direkt einen Rat aus dem Buch (S. 183) weiter:
Bitte lesen Sie vorsichtig! Immer.
Entlarvung der Sprache kann witzig,
Thematisch sortiert analysieren die beiden Autoren Sprache, zeigen, wie damit verschleiert, manipuliert und gelogen wird. Die Gefahr bestünde, dass der Inhalt des Buches belehrend oder arrogant wirke. Nein, so die Autoren, in ihrem Vorwort, Korinthenkacker möchten sie nicht sein, eine Sprachpolizei mit Schlaumeier-Regeln auch nicht. Dieses Buch, genauer sein Inhalt – sehen Sie, das meine ich! – kann auch einfach nur genossen werden. Ich gebe Ihnen einen kleinen Einblick, es geht um die Beschriftung beim Wäschetrockner (S. 52, 53):
Der kann auch feucht. Und wie! Bügelfeucht (mit einem Wassertropfen als Zusatzsymbol) ist noch einigermaßen einleuchtend als zusammengesetztes Wort. Was aber ist die nachfolgende Position Bügelfeucht (mit zwei Wassertropfen)? Muss man dann doppelt so lange mit dem Bügeleisen über das Textil gleiten? Und verträgt sich das mit dem Dampfbügeleisen, das in seiner ureigenen Aufgabe die Wäsche bügelfeucht macht, obwohl sie es vorher schon war (mit einem oder zwei Tropfen)? Wer denkt sich solche Beschriftungen aus? Waren Drogen im Spiel? Sagen Sie jetzt nicht, das sei mangelhaft. Es ist mangelfeucht.
aber ernüchternd und befremdlich sein
Weniger witzig ist die Sache mit dem Verständnis (S. 21, 22), wie oft habe auch ich mich schon über Aussagen wie diese geärgert: „Leider können nicht alle Anschlusszüge erreicht werden. Wir danken für Ihr Verständnis.“ Weniger über den Inhalt, mehr über das vorausgesetzte Verständnis. Denn eine solche Meldung könnte auch so lauten: „Die Kuh ist endlich vom Gleis, aber jetzt haben wir 50 Minuten Verspätung. Wir bitten um Ihr Verständnis.“
Ernst wird es, wenn es in die Bereiche Politik oder Wirtschaft geht. Der Schuldenberg wird überwunden? Nein, er müsste abgetragen werden. Wirtschaftsflüchtlinge, sind das Menschen, die vor der Wirtschaft fliehen oder sind das eher Armutsflüchtlinge? Asylgegner, schmerzhafte Einschnitte, das Personenkarussel dreht sich – all diese Wörter und Begriffe beschönigen, verschleiern, sagen nicht die Wahrheit.
Fazit: Ein gut geschriebenes Buch, das sich leicht lesen lässt, das diejenigen entlarvt, die versuchen, mit Sprache zu manipulieren. Das Buch sensibilisiert dafür, genauer hinzusehen und hinzuhören. Mein Urteil lautet: lesenswert!
Hinterlassen Sie eine Antwort
Möchten Sie an der Diskussion teilnehmen?Wir freuen uns über Ihren Beitrag!