Warum sollten Pronomen wie sie/ihr in der Signatur stehen?
Ihnen sind sicher auch schon Pronomen wie sie/ihr in einer E-Mail-Signatur oder in einem Social-Media-Profil aufgefallen. Was das bedeutet, erfahren Sie in diesem Beitrag. Für Menschen mit wenig Zeit: Es zeigt, wie jemand angesprochen werden möchte. Wenn Sie mehr Zeit haben, erfahren Sie in diesem Blogbeitrag etwas über (sprachliche) Hintergründe und auch, was diese Pronomen mit Respekt, Solidarität und Image zu tun haben. Lassen Sie uns zunächst auf die sprachliche Ebene im Deutschen blicken.
Ein Blick auf deutsche Pronomen
Ein Pronomen vertritt ein anderes Wort. Das lässt sich auch aus dem Namen ableiten: Die Silbe pro bedeutet für, nomen steht für Name. Das zu vertretende Wort wird in der Regel zuvor genannt, damit der Bezug klar ist.
Ich zeige Ihnen ein Beispiel: Andrea liest gern. Oft liest sie bis tief in die Nacht.
Das Pronomen sie vertritt hier die zuvor genannte Person Andrea. (Sie vermuten eine Ähnlichkeit mit der schreibenden Person? Ich bitte Sie! Ich doch nicht. :-))
Das zugehörige Possessivpronomen lautet in der weiblichen Form: ihr.
Wiederum als Beispiel: Andrea liest gern. Oft liest sie ihr Buch bis tief in die Nacht.
Wenn Tom liest, lauten diese Sätze so: Tom liest gern. Oft liest er sein Buch bis tief in die Nacht.
Sie erkennen anhand dieser Beispiele die Pronomen sie/ihr für eine weibliche Person und die Pronomen er/ihn für eine männliche Person.
Die deutsche Sprache ist bezüglich Personen binär aufgebaut: Sprachlich existieren Frauen und Männer mit den dazugehörigen Personalpronomen. In anderen Sprachen existieren solche Unterschiede nicht immer. Das Finnische hän beispielsweise kann sowohl er als auch sie heißen.
So weit, so klar. Zurück zur Frage: Warum stehen dann beispielsweise die Pronomen sie/ihr in einer Signatur oder eben auch er/sein?
Pronomen sie/ihr in der Signatur
Ich habe Ihnen einen Screenshot aus einer E-Mail eingefügt, die ich vor Kurzem erhalten habe.
Denver ist der Vorname, den Nachnamen habe ich gelöscht. Lassen Sie uns annehmen, dass der Nachname von Denver Kowalski lautet. Würden Sie wissen, wie Sie auf diese E-Mail antworten sollten? Lieber Herr Kowalski? Liebe Frau Kowalski? Ich wusste es nicht und konnte anhand der Pronomen sie/ihr in der Signatur erkennen, mit welchen Pronomen Denver Kowalski angesprochen werden möchte: Guten Tag, Frau Kowalski.
Kann ich davon ableiten, dass Denver eine (biologische) Frau? Nein. Denver könnte auch eine trans Frau sein; also eine Person, deren biologische (männliche) Merkmale nicht mit ihrer Geschlechtsidentität übereinstimmen.
In diesem Fall kann es sein, dass Denver männlich gelesen wird. Das bedeutet, dass die (meisten) Menschen, die Denver sehen, sie in die Kategorie Mann einordnen. Denver definiert ihre Geschlechtsidentität jedoch als weiblich. Um möglichen Irritationen vorzubeugen, hat Denver die gewünschten Pronomen sie/ihr in die Signatur geschrieben.
Die Gründe für das Benennen der Pronomen spielen in der Kommunikation keine Rolle. Wichtig ist, wie die betreffende Person angesprochen werden möchte.
Schließlich können die Pronomen in der Signatur auch ein Zeichen der Solidarität sein. Ich fühle mich als Frau und werde als solche gelesen. Wenn ich die Pronomen sie/ihr auf meine Social-Media-Profile stelle, ist das als ein Zeichen der Solidarität für nicht binäre Menschen und Transpersonen gedacht.
Lassen Sie mich zusammenfassen:
- Pronomen sichern die korrekte Ansprache.
- Pronomen sichern die gewünschte Ansprache.
- Pronomen können ein solidarisches Zeichen sein.
Exkurs: divers
Nicht binäre Menschen verorten sich außerhalb der männlich/weiblichen Zweigeschlechtlichkeit. Gender queer oder non-binär sind Synonyme für non-binary, wie auch im Deutschen gesagt wird. Das kann konkret beispielsweise bedeuten:
- Agender -> diese Person fühlt sich ohne Geschlecht
- Bigender -> diese Person fühlt sich als Frau und als Mann
- Genderfluid -> das Geschlechtsempfinden ist fließend und kann sich ändern
Divers ist die offizielle Bezeichnung für eine Verortung jenseits der weiblichen/männlichen Zweigeschlechtlichkeit. Seit 2018 sieht das deutsche Personenstandsgesetz diese Möglichkeit vor und schafft damit auch einen offiziellen Platz für die Vielfalt, die in unserer Gesellschaft längst Realität geworden ist.
Die Zweigeschlechtlichkeit in unserer Sprache habe ich Ihnen im obigen Beispiel mit der Person, die nächtlich liest, verdeutlicht. Doch es bleibt die Frage: Wie können wir sprachlich mit Menschen umgehen, die sich weder weiblich noch männlich fühlen?
Wie oben ausgeführt, haben wir im Deutschen für einen solchen Fall (noch) keine Pronomen, die der amtlichen Rechtschreibung entsprechen. Im Englischen werden die Pronomen they/them verwendet, weswegen man sie auch im Deutschen für Personen jenseits der Zweigeschlechtlichkeit verwendet. Abgeleitet davon werden auch die Pronomen dey/deren verwendet. Weitere sprachliche Lösungen für unser Pronomen-Problem im Deutschen finden Sie unter dem Stichwort Neopronomen. Auf der verlinkten Seite finden Sie weitere Optionen.
Übrigens sagen die Pronomen nur etwas über die Geschlechtsidentität und nichts über die (gelebte) Sexualität aus.
Falsche Ansprache kann kosten …
Dass die falsche Ansprache kostspielig sein kann, zeigt ein Urteil, das gegen die Deutsche Bahn ausgesprochen wurde. Bis vor Kurzem konnte man beim Buchen eines Online-Tickets nur zwischen der Anrede „Herr“ und „Frau“ wählen. Dagegen wurde geklagt – zu Recht. Deswegen kann man nun auch bei der Deutschen Bahn die Option „Neutrale Anrede“ wählen.
Warum nicht direkt so, frage ich mich. Warum muss erst geklagt werden, damit die Bahn diese Anrede zeitnah ergänzt?
Was bedeutet das nun für Unternehmen?
Um auf die Ausgangsfrage zurückzukommen: Warum sollten Pronomen in einer Signatur stehen? Natürlich steht es jedem Unternehmen frei, dies selbst zu unterscheiden. Gerade größere Unternehmen werden bereits ein Diversity-Management etabliert haben, das auf eine angemessene interne und externe Kommunikation achtet.
Für alle anderen sind hier einige Denkanregungen für Pronomen in einer Signatur:
- Pronomen können die Toleranz für Geschlechtsidentitäten jenseits des Männlichen und Weiblichen erhöhen.
- Das Unternehmen zeigt, dass es alle Mitarbeitenden respektiert und sich alle wohlfühlen sollen.
- Mit dem Hinzufügen von Pronomen werden Missverständnisse auch innerhalb eines Unternehmens vermieden.
Im besten Fall regt ein Unternehmen mit dem Vorstoß, Pronomen in der Signatur zu etablieren, zum Nachdenken über sprachliche und kommunikative Inklusion an. Nach innen und außen wird dadurch eine Offenheit gelebt, die sich positiv auf das Image und Betriebsklima auswirken wird.
Letztlich tragen Unternehmen mit Pronomen wie sie/ihr in der Signatur auch gesellschaftlich dazu bei, ein Klima der Toleranz und des Verständnisses zu schaffen. Das schließlich sollte im Privatleben oder im beruflichen Kontext selbstverständlich sein: Minderheiten schützen und allen Menschen respektvoll begegnen.
Liebe Andrea, wie immer hast du es toll beschrieben, kurz, knackig, gut verständlich. Das will ich einfach mal hier loswerden! Du schreibst einfach richtig gut!
Liebe Grüße Marika
Vielen Dank, liebe Marika, das bedeutet mir sehr viel!
Hallo, liebe Andrea! Jetzt interessiert mich, wie eine neutrale Anrede aussieht…
Viele Dank für Deine Blogs! Ich lese sie sehr gern!!!
Vielen Dank, darüber freue ich mich sehr. Und danke auch für das nächste Thema. :-)
Danke dir, dass du das Thema so verständlich und übersichtlich zusammengefasst hast! Ein weiterer Beitrag von dir, in den ich wahrscheinlich noch öfter schauen werde.
Ich danke dir für diese Rückmeldung, liebe Katrin.