Die Pilgerjahre des farblosen Herrn Tazaki
Mein Scherflein zur Buchblogparade von Eva Maria Nielsen ist von Haruki Murakami: „Die Pilgerjahre des farblosen Herrn Tazaki“, erschienen bei Dumont, 2014.
Tsukuru Tazaki ist ein erfolgreicher Mann. Er hat es aus seiner japanischen Provinz nach Tokio geschafft, den begehrten Studienplatz bekommen und konstruiert nun seinen Kindheitstraum: Bahnhöfe.
Doch Haruki Murakami wäre nicht Murakami, ließe er seine Geschichte um den „farblosen Herrn Tazaki“ hier beginnen. Der Leser beginnt nicht an der Oberfläche, er beginnt in der Tiefe des Schmerzes. Dort, wo es sich anfühlt, als ob man „plötzlich nachts vom Deck eines Schiffes ins Meer geworfen“ wird. Eine Perle von einem Satz.
Fünf Freunde sind sie, zwei Mädchen, drei Jungen, Tazaki ist einer davon. Er braucht sie, sie geben ihm in seiner Jugend Halt, Sinn und Kraft. Das alles findet er in seiner Familie nicht. Doch fragt sich Tazaki immer wieder, was die anderen eigentlich an ihm finden. Und das nicht nur, weil sein Name – im Gegensatz zu den Namen der vier anderen – sprachlich keine Farbe enthält. Egal, nicht daran rühren, er ist stolz, Teil dieses perfekten Fünfecks zu sein.
Natürlich passiert, was passieren muss. Tazaki studiert bereits in Tokio, kommt aber regelmäßig nach Hause zu seinen Freunden. Bis sie ihn eines Tages ohne Erklärung meiden. Tazaki ist zwanzig, seine Welt zerbricht, lange Zeit vegetiert er mehr tot als lebendig vor sich hin. In diesem Moment beginnt das Buch, und hier beginnen die Fragen. Warum beharrt Tazaki nicht auf Erklärungen, warum lässt er sich so behandeln?
Das könnte man dem Buch vorwerfen, wenn man nicht tief im Inneren wüsste, wie unsagbar schwierig es sein kann, Dingen auf den Grund zu gehen. Dass es so viel einfacher – nicht besser – sein kann, die Ungeheuer im Inneren zu beschwichtigen, als sich ihnen zu stellen. Der Preis dafür: ein Leben ohne Leidenschaft, ohne Höhen, aber auch ohne Tiefen.
Das ist aber nur ein Aspekt des Buches. Es geht auch um Schuld, Freundschaft, Nähe, Werte. Es geht um das, was das Leben lebenswert macht.
Und seine Pilgerjahre? Auch hier kommt, wer kommen muss, eine kluge Frau. Sie erkennt mehr in Tazaki und stellt eine ernsthafte Beziehung erst dann in Aussicht, wenn er die Fragen von damals stellt. Suche die Freunde von früher auf, lautet ihre Bedingung an den nun 36-jährigen Tazaki. Warum tut sie das, werde ich als Leserin aus ihr klug? Nein. Aber was mich an anderen Büchern stört – allzu viele offene Fragen und Erzählstränge, die ins Leere laufen –, mag ich an Murakamis Schreibe.
Denn: So ist das Leben eben, am Ende fügt es sich doch, auch wenn ich es jetzt (und auch am Ende des Buches) nicht sehen kann. Dafür kurbelt es meine Gedanken an und hält weitere Satzperlen für mich bereit. „Nicht alles verschwindet im Fluss der Zeit“ ist nur eine davon. Und das trifft auch auf dieses Buch zu.
Danke für den tollen Beitrag! Und damit ist nun beschlossen, dass ich das Buch und den Autor endlich lesen muss, denn dies ist schon der zweite Beitrag zu ihm in der Februarparade – und ich denke, das sagt viel über seine Bücher. Die Satzperlen gefallen mir. Und das Thema noch mehr, vor allem, wenn es so an den Leser weitergereicht wird. Danke für den Tipp!
Sehr gerne, ich bin gespannt, was du sagen wirst – es ist ja nicht unumstritten.
Auch ich muss gestehen, dass ich bisher nur „Kafka am Strand“ gelesen habe von ihm (weil ich es als Kafka-Verehrerin geschenkt bekommen habe). Ich danke dir für diesen „Tritt“, Haruki Murakami weiter zu lesen. Ein Anfang ist getan, dieses, dein Buch der Parade ist ebenfalls in analoger Form bestellt worden von mir. Heute. Btw. diese BuchBlogParade könnte mich ganz arg in finanzielle Schwierigkeiten bringen…! ;-)
Ja, aber was sind schon echte Satzperlen gegen schnödes Geld ;-)
Ohhh, da geb ich dir sowas von recht! Und ganz ehrlich, ein gutes Buch in der Hand ist auch unter der Brücke nicht zu verachten! ;-)))