Leon de Winter: Ein gutes Herz
Von einigen Schriftstellern und Schriftstellerinnen kaufe ich die neuen Bücher unbesehen ohne meinen strengen Blick auf die ersten Seiten. Leon de Winter ist einer davon. Nach einer gefühlten Ewigkeit ist nun ein neues Werk von ihm erschienen: „Ein gutes Herz“.
Was ist das für ein Buch? Auf jeden Fall ein „echter“ de Winter: vergnüglich mit Anspruch und etwas verrückt mit einer verworrenen Geschichte. Es enthält Elemente eines Krimis, es könnte ein politischer Roman sein, es ist … – ach, egal. Höchst amüsant ist es, sprachlich auf ganz hohem Niveau und gut durchkomponiert.
Wovon handelt das Buch? Auch das ist nicht leicht zu sagen. Ein junges marokkanisches Fußballteam spielt eine gewaltige Rolle, dazu ein Vater, ein Sohn. Leon de Winter himself taucht im Buch auf, seine Frau Jessica Durlacher (im Buch seine Exfrau), der ermordete Filmemacher Theo van Gogh. Weitere Figuren sind der Kriminelle Max Kohn (oder Exkriminelle?), ein besonders einfühlsamer Priester namens Jimmy Davis, die ebenso kluge wie schöne Sonja Verstraete, die zwischen allen steht, und natürlich – ein gutes Herz. Das Personal zeigt: Leon de Winter mischt reale Menschen und Ereignisse in seine Geschichte.
„Ein gutes Herz“ steigt mit Theo ein, er wurde gerade ermordet und bekommt nun die Chance „weiterzugehen“. Dafür muss er Max Kohn als Schutzengel begleiten. Diese Aufgabe wird ihm von Jimmy Davis zugeteilt, dem toten Priester, dessen Herz nun in Max Kohn schlägt. Wir lernen Max kennen, Sonja, die einst Max verlassen hat, mit Jimmy zusammen war und jetzt Leon trifft. Und spätestens als Max erkennt, wessen Herz in ihm schlägt und dass dieses Herz einst für Sonja schlug, ahnen wir, dass die Geschichte rasant wird. Denn Max ist ein Mann der Tat, er geht den Dingen auf den Grund …
Das Buch fasziniert wegen der obskuren Geschichte und des Spiels mit Realität und Fiktion. Es nimmt abwechselnd die Perspektive der verschiedenen Figuren ein, deren Sicht der Geschichte wird in gut lesbaren Happen dargereicht. Das verleiht dem Buch die atemlose Geschwindigkeit, die es schwer macht, es beiseitezulegen. Es fasziniert aber auch wegen der sprachlichen Virtuosität, denn Leon de Winter gelingt es, jeder Figur ihre eigene Sprache und Denke zu verleihen.
Theo beispielsweise lässt sich darüber aus, dass es die Vorhölle auf Erden nicht mehr gibt. Wahrlich unverschämt, steckt er doch gerade darin fest: „Theo musste feststellen, dass diese Vollidioten auf der Erde den Begriff ‚Vorhölle‘ ganz und gar fallen ließen. 2006 schlug eine Gruppe von dreißig Theologen Papst Benedikt XVI vor, die Vorhölle zu streichen. Eine himmelschreiende Arroganz.“
Und so taumelt man höchst amüsiert von Figur zu Figur durch die Geschichte, liest sich durch die 502 Seiten des Buches bis zum Showdown und bedauert, dass es ein Ende hat! Am kommenden Donnerstag liest Leon de Winter in Hannover, ich bin sehr gespannt.
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