„Die Verknöpften“ von Andrea Behnke
Wie haben Kinder die 1930er-Jahre in Deutschland erlebt? Darum geht es in dem Kinderbuch „Die Verknöpften“ von Andrea Behnke. Es ist im Ariella Verlag erschienen und kostet 14,95 Euro, ich stelle es Ihnen vor.
Wer oder was sind „Die Verknöpften“?
Das Buch beginnt (und endet) 1942 im Ghetto von Riga. Dort lernen wir Ilse Hirschberg kennen, früher arbeitete sie als Lehrerin. Mit diesem Blick in die nahe Zukunft wissen die Leserin und der Leser bereits, dass die Geschichte nicht gut endet.
Die eigentliche Geschichte spielt 1938/39 in Bochum: Liselotte, Minna, Hildegard und Leon gehen gemeinsam in die Grundschule. Wer welche Eltern hat oder ob jemand eine Kirche oder eine Synagoge besucht, spielte keine Rolle. Jetzt aber doch. Leon wird neuerdings von älteren Jungen drangsaliert, Liselotte bekommt das mit (Seite 19):
Liselotte möchte laut schreien. Doch sie kann nicht. Beim Hüpfkästchen-Springen kitzelte das Lachen noch im Hals, jetzt ist ihr, als ob dort der Kieselstein steckt. Kein Wort bringt sie heraus. Sie steht da, als wären ihre engen Schuhe im Bürgersteig verwurzelt. Sie kann sich nicht mehr bewegen.
Vom nächsten Tag an begleitet die Lehrerin Fräulein Hirschberg die Kinder auf dem Weg nach Hause.
Die drei Mädchen können sich seit Kurzem nur noch heimlich bei Hildegard treffen. Die neugierige Nachbarin hat ihre Augen überall. Freundschaft ist gerade schwer. Deswegen hat Liselotte, deren Eltern eine Schneiderei haben, für die drei Freundschaftsbänder mit besonders schönen Knöpfen genäht.
Beim Lesen habe ich mir für die Kinder gewünscht, dass alles gut wird. Wird es natürlich nicht. Mit Hildegard dürfen sich Liselotte und Minna bald nicht mehr treffen. Minnas Mutter lernt bei Fräulein Hirschberg Englisch, weil die Familie nach Amerika auswandert. Trost findet Minna in der Musik, sie bekommt von Herrn Mensing Flötenunterricht: „Die Wohnung ist voller Töne, und jeder Ton ist ein Geschenk, findet Liselotte.“ (Seite 71).
Doch Herr Mensing wird verhaftet. Bei der Pogromnacht von November 1938 werden die Synagoge, die Schule und auch die Schneiderei von Liselottes Eltern zerstört – und der Lebenswille von Liselottes Vater.
Bildhafte Sprache mit anmutigen Illustrationen
Bildhaft bringt uns Andrea Behnke diese Zeit aus Kindersicht und für Kinder nahe. Die Geschichte endet mit Leons Reise nach England. Im Gepäck hat er einen Stoffhund, den Liselotte genäht hat. Mit ganz vielen Augen, damit er alles sieht und auf Leon aufpassen kann.
Im Nachwort erfahren wir, dass die Geschichte der Verknöpften einen wahren Kern hat. Dass das Thema nicht zu schwer wird, liegt an der bildhaften Sprache, den Ideen von Andrea Behnke und an den wunderschönen Zeichnungen von Inbal Leitner.
Fazit: Ein lesenswertes Buch mit luftig-bildhafter Sprache und bezaubernden Illustrationen. Es bringt Kindern die Wirkweisen des Nationalsozialismus nahe und regt gleichzeitig (auch Erwachsene) zum Nachdenken an.
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