Worte wirken
„Frankreich ist im Krieg“, sagte Präsident Macron zu Beginn der Corona-Krise. Er rief „zu den Waffen“ und kündigte eine „Generalmobilmachung“ an. Puh, Worte wirken. Knall, bumm – welche Bilder tauchen bei seinen Worten in Ihrem Kopf auf?
Krieg versus Krise
Worte transportieren natürlich Botschaften. Zudem sagt die Wortwahl etwas aus: über den Absender / die Absenderin, über die Adressat*innen, über die Intention.
Macron gibt mit seiner Wortwahl den starken Macher. Die mitschwingende Botschaft ist, dass er alles fest im Griff hat, am Ende wird das Virus besiegt. Zugleich schwört er die Zuschauer*innen auf schwere Zeiten ein. Denn mit seinen Worten richtete er sich an das französische Volk und verkündete gleichzeitige strikte Maßnahmen im Kampf gegen das Virus. Wenn man über seine Worte und Absichten nachdenkt, ist seine Rhetorik in sich schlüssig.
Merke: Wenn Worte wirken sollen, müssen sie auch zum Sprecher, zur Sprecherin passen.
Dorthin, wo der Pfeffer wächst …
Würde ich von Krieg oder Mobilmachung sprechen, würde mir das kein Mensch abnehmen – das sind nicht meine Vokabeln.
Ich möchte, dass das Kackvirus dorthin verschwindet, wo der Pfeffer wächst. Nein, das würde ich nicht schreiben, weil damit ursprünglich Indien gemeint war. Dort leben Menschen, denen ich das Virus ganz bestimmt nicht an den Hals wünsche.
Weil hier Kinder mitlesen können, bin ich in meiner Wortwahl vorsichtiger. :-) Deshalb möchte ich, dass sich das Virus, schwuppdiwupp, in Luft auflöst. Und zwar lieber gestern als morgen. Bei diesen Worten taucht Dumbledore vor meinem geistigen Auge auf. Der Zauberer, der bei Harry Potter nahezu alles wieder richtet – genau!
Worte wirken (schon) immer
Corona-Krieg versus Corona-Krise – es tauchen jeweils andere Bilder in Ihrem Kopf auf, die jeweils unterschiedliche Gefühle in Ihnen auslösen. Dieser Effekt wird auch Framing genannt, eine kurze, aber anschauliche Erklärung habe ich für Sie verlinkt.
Ein anderes Beispiel für die Wirkung von Worten ist die geschlechtergerechte Sprache. Der Satz „Ich muss zum Zahnarzt“ löst in Ihnen ein anderes Bild aus als der Satz „Ich muss zur Zahnärztin“.
Sprache schafft Bilder, schafft Wirklichkeiten. Deshalb wünsche ich mir, dass wir möglichst bewusst und sorgsam und möglichst genau und konkret mit Sprache umgehen. Immer.
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