Wolken über Taiwan von Alice Grünfelder
Die Autorin Alice Grünfelder lebte von Februar bis Juli 2020 in Taipeh, der Hauptstadt von Taiwan. Taiwan, Taipeh? Genau, deshalb lautet der Untertitel ihres Buches „Wolken über Taiwan“ auch „Notizen aus einem bedrohten Land“. Es ist im März im Züricher Rotpunktverlag erschienen, hat 260 Seiten und kostet als gebundene Ausgabe 29 Euro.
Worum geht es in „Wolken über Taiwan“?
Die Sinologin Alice Grünfelder hat aus ihrem Aufenthalt in Taipeh ein subjektives Glossar mitgebracht. So beginnt ihr Buch mit „A wie Abschied, Abfall und Ahnung“ und endet mit „Z wie 2-28, Zeit und Zeichen“.
Herausgekommen ist eine blitzlichtartige Reportage, die informativ, persönlich und immer ganz eigen daherkommt. Persönlich wird es etwa, wenn die Autorin über D wie Drachenboot schreibt (Seite 56):
Unten beim Flusstempel sehe ich ein rotes Banner. Wer mitmachen möchte in einem Drachenbootteam, soll am Samstag um sechs Uhr in der Früh kommen.
Ich stelle den Wecker auf 5 Uhr 30. Im Morgengrauen sehe ich ein paar Männer unter dem Vordach eines Schuppens, die Schwimmwesten überstreifen. […] Offenbar stelle ich mich nicht allzu ungeschickt an, denn nach dieser ersten Stunde in einem Drachenboot wird mir angeboten, temporary member zu werden. Das bedeutet: Mittwoch um fünf Uhr aufstehen, Samstag und Sonntag um halb sechs. Ich muss wahnsinnig sein.
Aus dieser und den folgenden Stunden im Drachenboot entwickelt die Autorin eine Skizze über Gruppendynamik, einer kleinen Rebellion, einem Wettbewerb und einem unverhofften Geschenk.
Ich mochte an diesem Buch auch, dass Grünfelder so gekonnt mit Sprache umgeht. Sie nimmt sich im richtigen Moment zurück und tritt im richtigen Moment in den Vordergrund. Zudem zeigt sie uns viele Facetten ihres Könnens (S. 197):
Der Tag
Langgestreckt vor mir
wie selten
ich lecke
an den Ideen für diesen
Tag.Wenn ich den Tag früh beginne
höre ich Vögel
das Surren der Motorroller
die Klimaanlagen
scheppern aus der Küche unten
die Litanei im Tempel
Wenn.
Fazit: Ich wusste nichts über Taiwan und weiß nun ein wenig mehr. Allen, die sich auf eine ganz subjektive und sprachlich schöne Reise nach Taipeh einlassen möchten, empfehle ich dieses Buch.
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