Substantivierter Infinitiv
Nicht lesen oder schreiben zu können, ist für mich kaum vorstellbar. Aber für viele Menschen ist das normal, auch hier in Deutschland. Wenn man den Zahlen auf www.mein-schlüssel-zur-welt.de glauben darf, können in Deutschland 7,5 Millionen Menschen nicht oder nicht gut lesen und schreiben. Puh. Hilfe finden Betroffene oder jene, die jemanden kennen, der Hilfe braucht, auf der verlinkten Website.
Sicherlich ist Ihnen die Kampagne des Bundesministeriums für Forschung und Bildung zum Ende des vergangenen Jahres auch aufgefallen. Dieses Motiv des zögernden Mannes war sehr präsent:
Beim Lesen beschlich mich wegen der beiden Wörter „Lesen“ und „Schreiben“ ein komisches Gefühl. Müssten diese beiden Verben nicht kleingeschrieben werden?
Gefühle sind in der Rechtschreibung nicht angebracht. Der vernünftige Griff zum Duden 9, „Das Wörterbuch der sprachlichen Zweifelsfälle“, wird wie immer meine komischen Gefühle verscheuchen.
Substantivierter Infinitiv
lautet das Stichwort, unter dem ich nachgesehen habe. Wie so oft gibt es verschiedene Erklärungen, zunächst heißt es dort.
Substantivierte Infinitive werden großgeschrieben: das Spielen, das Lesen.
Stünde also ein Artikel vor den Verben – „Besser das Lesen und das Schreiben lernen.“ – wäre es klar, sie müssten großgeschrieben werden. Natürlich verlöre der Satz seine sprachliche Eleganz, ich hätte ihn auch ohne diese beiden Artikel geschrieben.
Doch das Stichwort „Substantivierter Infinitiv“ hat noch mehr zu bieten, ich lese weiter:
Stehen die Infinitive ohne Artikel oder nähere Bestimmung, dann ist oft nicht klar, ob es sich um einen verbalen Infinitiv (mit Kleinschreibung) oder um einen substantivierten Infinitiv (mit Großschreibung) handelt. In solchen Fällen sind Groß- und Kleinschreibung gerechtfertigt.
Als Beispiel:
Emma lernt schwimmen / [das] Schwimmen.
Sehr gut, der Griff zum „grünen“ Duden lohnt sich immer! Mit diesem Wissen zum substantivierten Infinitiv hat sich mein komisches Gefühl in Luft aufgelöst. Jetzt, da ich weiß, dass der Satz richtig ist, bin ich auch für die Großschreibung, weil sich die beiden (substantivierten) Verben dadurch wichtiger machen.
Müsste es nicht kleingeschrieben werden, weil „besser“ hier ein Adverb ist?
„Besser lesen und schreiben lernen“
„Besseres Lesen und Schreiben lernen“
Interessante Argumentation. Wie geschrieben, ich dachte auch zunächst, dass es klein sein müsste. Mit dem behelfsweise eingefügten Artikel überzeugt mich auch die großgeschriebene Variante. Lassen wir beides gelten.
Wie ist die Schreibung korrekt?
„zum Selber-Zusammenstellen“ oder heißt es „zum Selberzusammenstellen“ oder ganz anders?
Guten Tag!
Analog zu „Selbermachen“ würde ich es ebenso schreiben: zum Selberzusammenstellen. Aber ohne Kontext ist das schwierig zu sagen, zudem sieht es nicht schön ist. Ich würde daher entweder umformulieren (Sie können es sich selbst zusammenstellen) oder bei der Duden-Hotline anrufen.
Gruß – Andrea Görsch
Guten Tag! Wie verhält es sich bei Aufzählungen, wenn also kein Satz im eigentlichen Sinn entsteht? Als Beispiel: Prüfen und Bearbeiten von versicherungsrechtlichen Fragen, Einholen und Prüfen von Kostenvoranschlägen, Veranlassen interner Zahlungs- und Rückforderungsprozesse. Hier jeweils einen Artikel dazwischen zu schieben, entbehrt sich meiner Logik :-) Gilt im genannten Beispiel trotzdem die Grossschreibung?
Das ist meiner Meinung nach ein Beispiel dafür, dass beide Schreibweisen korrekt sind – nur einheitlich sollte es sein. Entweder schreibt man alle infrage kommenden Wörter groß oder alle klein.