Erschrecken oder erschrocken?
Eine Ärztin wird von Freund*innen vielleicht gefragt: „Sag mal, bei mir hier im Rücken zieht’s, was kann das sein?“ Nun bin ich keine Ärztin, ich bin Texterin und Werbelektorin. Deshalb werden mir Fragen gestellt wie: „Heißt das erschrecken oder erschrocken …?“
Unerschrocken schaue ich dieser Frage ins Auge und drösele sie hier für Sie und meine Freundin auf.
Sorry, zunächst einige Fachbegriffe
Zum Glück ist klar geregelt, wann erschrecken und wann erschrocken gebraucht wird. Doch damit ich Ihnen das gut erläutern kann, muss ich Ihnen zunächst drei Fachbegriffe erklären.
- transitive Verben = Verben, die ein Akkusativobjekt haben (und im Passiv stehen können)
Beispiele:
Ich baue ein Haus. Was baue ich? ein Haus = Akkusativobjekt
Ich erschrecke ihn. Wen erschrecke ich? ihn = Akkusativobjekt
- intransitive Verben = Verben, bei denen kein Akkusativobjekt stehen kann (jedoch andere Ergänzungen)
Beispiele:
Ich danke dir für diese Frage. Wem danke ich? dir = Dativobjekt
Ich stehe hinter dir, erschrick jetzt nicht.
- reflexive Verben = Verben, bei denen mit einem Reflexivpronomen auf das Subjekt verwiesen wird.
Beispiele:
Ich setze mich. Ich = Subjekt, mit dem Reflexivpronomen mich wird darauf verwiesen.
Er duscht sich, sie kämmt sich etc.
Erschrecken oder erschrocken – es hängt vom Kleid ab
Das Verb erschrecken kann in drei verschiedenen Kleidern daherkommen, als
- transitives Verb
- intransitives Verb
- reflexives Verb
Je nachdem, welches Kleid das Verb gerade anhat, wird es anders behandelt.
Erschrecken als transitives Verb
Hat es das „Akkusativobjektkleid“ an, wird es schwach und regelmäßig gebeugt. Das bedeutet, dass der Stammvokal e in jeder Verbform erhalten bleibt.
Beispiele:
Ich erschrecke ihn.
Der Clown hat die Kinder erschreckt.
Mit dieser Nachricht erschreckte ich ihn.
Selbst in der Befehlsform ist das e erhalten: Erschreck[e] ihn nicht.
Alle Formen von erschrecken habe ich für Sie verlinkt (Die schwach gebeugten Formen stehen ganz oben).
Erschrecken als intransitives Verb
Hier steht das Verb erschrecken ohne Akkusativobjekt, es wird unregelmäßig gebeugt (auch stark und mit Vokaländerung).
Beispiele:
Unerschrocken schaue ich dieser Frage ins Auge.
Als ich den Hund sah, bin ich erschrocken.
Als er sie sah, erschrak er.
Alle Verbformen von diesem „erschrecken“ habe ich ebenfalls für Sie verlinkt.
Erschrecken als reflexives Verb
Das Reflexivkleid lässt beide Möglichkeiten zu.
Beispiele:
Sie hat sich erschreckt. Sie hat sich erschrocken.
Er erschrak sich. Er erschreckte sich.
Erschrecken oder erschrocken nochmals auf einen Blick
- Hängt am Verb erschrecken ein Akkusativobjekt (wen oder was), behält das Verb erschrecken in jeder Form ein e: Ich erschrecke ihn, ich habe ihn erschreckt, ich erschreckte ihn.
- Bei anderen Konstruktionen wird stark (mit Vokaländerung) gebeugt: erschrecken, erschrak, erschrocken.
- Steht das Verb erschrecken mit einem Reflexivpronomen, sind beide Möglichkeiten korrekt.
Nun können Sie sich auch die Frage bei dem Bild korrekt beantworten: Sie haben sich erschreckt oder erschrocken. Beides ist möglich.
Guten Tag Frau Gorsch, wie machen Sie das, wenn Sie sich erschrecken?
Das setzt meiner Meinung nach eine aktive Handlung durch Sie selbst voraus. Wenn ich erschrecke, ist das jedoch eine passive Reaktion auf ein Ereignis, das ich nicht vorhersehen konnte. Denn der Begriff erschrecken bedeutet ja, dass ich mit dem Ereignis nicht gerechnet habe. Erschrecke ich mich, tue ich etwas, das von mir beabsichtigt ist. Ich habe gelernt: Ich erschrecke, erschrak oder bin erschrocken. Oder ich habe erschreckt ( eine andere Person) oder erschreckte oder er wurde erschreckt- aber von außen, nicht durch eigene Handlung. Bsp.: Sie können sagen: Ich male oder ich male mich. Beides ist korrekt. Der Unterschied liegt in der Bedeutung der Worte. Wer selbst erschrickt oder erschreckt wird rechnet nicht damit, dass dies geschehen wird. Wer sich malt oder gemalt wird weiß von diesem Ereignis.
Mit freundlichen Grüßen
Brigitte Schuler
Guten Tag, Frau Schuler,
der von Ihnen geschilderten Fall – ich erschrecke mich – ist der Fall mit dem Reflexivpronomen, beides ist möglich. So, wie Sie das auch schon geschrieben haben.
Gruß – Andrea Görsch
Guten Tag Frau Gorsch, mir fällt gerade noch ein anderes Beispiel dazu ein. Das Wort sterben wird gebraucht wie das Wort erschrecken meiner Meinung nach ebenfalls gebraucht werden sollte: Ich sterbe oder ich bin (beinahe) gestorben ist richtig. Ich sage nicht: Ich habe mich (beinahe) gestorben. Nochmals: Die zu gebrauchende Form bestimmt das Wort selbst durch seine Bedeutung.
Mit freundlichen Grüßen
Brigitte Schuler