„Die Interessanten“
„Das weibliche Prinzip“ von Meg Wolitzer war eines der Bücher des Jahres 2018. Auch ich mochte es und habe deshalb ein weiteres Buch von Meg Wolitzer gelesen: „Die Interessanten“. Das gefiel mir noch besser und ist mein Buch des Monats. Auf Deutsch ist es 2014 erschienen und daher für 9,99 € auch als Taschenbuch erhältlich.
Wer sind „Die Interessanten“?
Eine Gruppe Jugendlicher nennt sich „Die Interessanten“, eine davon ist Julie Jacobsen. Sie lebt in einem New Yorker Vorort, ihr Vater ist vor Kurzem an Bauchspeicheldrüsenkrebs gestorben (Seite 15):
Im Januar war er gestorben, was eine zermürbende Qual, jedoch auch eine Erleichterung gewesen war, die sich gleichermaßen nicht fassen und nicht vergessen ließ. Der Sommer kam, und die Leere blieb. Ellen wollte nirgends hin, aber Julie konnte nicht einfach den ganzen Sommer mit diesem Gefühl zu Hause sitzen und ihrer Mutter und ihrer Schwester zusehen, die sich genauso fühlten. Es hätte sie verrückt gemacht, beschloss sie. In letzter Minute dann schlug ihre Englischlehrerin dieses Camp vor, das noch einen freien Platz hatte und Julie ein Stipendium gewährte.
In dem Camp für künstlerisch interessierte Kinder wird Julie Mitte der 1970er Jahre zu Jules. Sie lernt fünf Jugendliche aus der New Yorker Upper Class kennen. Der Sommer geht vorbei, die Freundschaft der „Interessanten“ bleibt bestehen. Die Interessanten, das sind: der talentierte Ethan, das Geschwisterpaar Ash und Goodman, Kinder reicher Eltern, Jonah, Sohn einer Folk-Sängerin, Cathy, die Tänzerin werden möchte, und Jules.
Beim Erwachsenwerden zusehen
Diese sechs Menschen begleite ich als Leserin durch ihre Leben. Paare entstehen, vergehen, die Gruppe wird erschüttert, einer taucht unter, das Leben durchkreuzt Pläne – oder eben auch nicht.
Fast nebenbei wirft das Buch die großen Lebensfragen auf: Lebe ich wirklich mein Leben? Wie viel Neid hält eine Freundschaft aus? Löst Schweigen Probleme? Oder doch Geld? Sind manche gleicher als gleich? Eingebettet ist dieser Roman in vierzig Jahre amerikanischer Geschichte. So ist dieser Entwicklungsroman zugleich ein Gesellschaftsbild.
Auf über sechshundert Seiten hat das Buch reichlich Zeit, die verschiedenen Wege auszubreiten und mit Leben zu füllen. Der Blick auf eine Generation, eingewoben in das Geschehen der Zeit, die Möglichkeiten eines Menschenlebens zu sehen – all das hat mich sehr fasziniert.
Fazit: „Die Interessanten“ ist ein Buch, das den Lesenden durch ein halbes Menschenleben schickt und elementare Fragen nach dem Sinn des Lebens aufwirft. Es regt zum Nachdenken an, sehr lesenswert.
Das habe ich in diesem Jahr auch gelesen. Ich erinnere mich, dass ich ebenfalls besonders gut fand, dass ich aufgrund des reinen Umfangs des Buches (fetter Wälzer) die „Interessanten“ über einen so langen Zeitraum begleiten konnte. Zu Hoch-Zeiten von #metoo fand ich den Umgang mit einem Fall im Buch schmerzhaft, aber sicher realistisch. Gestört hat mich an dem Buch etwas, dass eigentlich nur eine Protagonistin nicht finanziell gut abgesichert lebt, die anderen sind alle sehr gut situiert, bis fürchterlich reich …
Den von dir angesprochenen Fall empfand ich ebenso: schmerzhaft, aber realistisch. Und zum Geld: Die Autorin zeigte meiner Meinung nach dadurch, dass die Schichten nicht durchlässig sind. Diejenige, die ein Stipendium für dieses elitäre Camp benötigt, ist eben auch diejenige, die ein wenig finanziell abgesichertes Leben hat …