Mein Feiertag: Welttag des Buches
In Niedersachsen wird derzeit über die Einführung eines neuen Feiertags diskutiert. Von mir aus könnte es der 23. April werden – das ist der Welttag des Buches.
Lesen ändert alles
Bücher haben meine Kindheit gerettet, durch sie habe ich neue Welten kennengelernt. Damit will ich nicht sagen, dass ich eine miese Kindheit hatte. Ich hatte keine schlechten Eltern, es gab kein offensichtliches Drama. Doch richtig glücklich fühlte ich mich als Kind nicht, auch wenn ich das so nicht in Worte hätte fassen können. Das Glück roch irgendwann für mich nach Büchern, in die ich meine Nase stecken konnte.
Dabei war mein Leseanfang alles andere als einfach. Ich weiß noch, wie ich es nicht schaffte, die Buchstaben zu Silben und dann zu Wörtern zusammenzusetzen. Es klappte einfach nicht. Ich wusste, ich könnte es schaffen, nur ein kleiner Schritt fehlte noch. Aber es ging nicht.
Der Durchbruch kam bei einem Spaziergang – ausgerechnet bei einem Spaziergang. Als mein Vater – ausgerechnet mein Vater, der nie ein Buch zur Hand nahm – mit mir Wörter auseinandernahm und mit mir Silben klatschte. Ich weiß nicht mehr genau, was wir taten, aber dieses gehüpfte Buchstabengeklatsche war meine Rettung. Danach fanden die Buchstaben zueinander, ich konnte Silben erkennen und zusammensetzen und die Welt der Bücher öffnete sich mir.
„Meine“ Nordstadtbücherei gibt es nicht mehr!
Diese Welt der Bücher war für mich zunächst die kleine Nordstadtbücherei in Pforzheim. Zehn Minuten von daheim entfernt, direkt neben meiner Grundschule. Ich habe alles gelesen, was ich in die Finger bekommen konnte.
Wie schockiert war ich, als ich vor einigen Jahren feststellte, dass es diese Bücherei nicht mehr gibt. Meine Eltern waren nicht arm. Aber wir hatten auch nicht so viel Geld, dass wir jedes Buch hätten kaufen können, das ich als Kind gelesen habe.
Wer weiß, wie mein (Lese-)Leben abgelaufen wäre, hätte es diese Bücherei nicht gegeben! Ich mag es mir nicht ausmalen. Dabei fällt mir ein, dass ich mich schon lange den Freunden (wohl mitgemeint: und Freundinnen) der Stadtbibliothek Hannover anschließen möchte. Weil ich Bibliotheken immens wichtig finde. Ich werde es erst tun, wenn sie sich offiziell umbenennen und auch „Freundinnen“ in ihren Namen aufnehmen. Dann aber sofort, versprochen.
Jetzt schon: Lesementorin
Das jedenfalls habe ich bereits getan: Seit diesem Schuljahr bin ich Lesementorin. Einmal die Woche lese ich gemeinsam mit einem Grundschulkind. Wir lesen abwechselnd aus einem Buch, sprechen über die Geschichte und auch manchmal über das, was am Tag vorgefallen ist. Die Lesestunde beenden wir mit einem kleinen Spiel.
Wenn mein Lesepatenkind es nicht schafft, flüssig und vor allem Sinn erfassend zu lesen, wird sein weiterer Bildungsweg sehr holprig werden. Ich weiß, eine Stunde in der Woche ist nicht viel. Doch sehe ich bereits die ersten kleinen Fortschritte. Lesen, es ist einfach so, ändert alles. Deshalb bin ich für den 23. April als neuen Feiertag, gerne nicht nur in Niedersachsen.
Wäre ich die „Bestimmerin“, um ein Lieblingswort aus der Kindheit meiner Kinder aufzugreifen, würde ich Anreize schaffen, damit alle, ob berufstätig oder schon in Rente, ein solches Ehrenamt übernehmen können: einen Flüchtling begleiten, ein Lesepatenkind haben, einem alten Menschen zuhören … Ich fände es schön, wenn sich viele Menschen eine Stunde in der Woche Zeit für einen bedürftigen Menschen nehmen könnten und würden. Unsere Welt, davon bin ich überzeugt, wäre dann eine bessere. Denn nicht nur ich gebe dem Lesepatenkind etwas, nämlich meine Zeit. Ich bekomme auch sehr viel zurück.
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